Tobi Geisler
Das schneereichste Skigebiet Europas
Wie ein Engländer Warth-Schröcken zum schneereichsten Skigebiet Europas machte, warum Fritz Schlierenzauer jeden Morgen den Schnee vermisst und sich drei Männer um Kristallkeime Gedanken machen.
Schneekunde als Berufung
Es ist 6.30 Uhr morgens und der Schnee knirscht unter seinen Schritten: Fritz Schlierenzauer verlässt das Hotel Körbersee und geht zu einem abgesteckten Schneefeld. Seit mehr als 30 Jahren macht er täglich den Weg zu seiner Schneestation. Hier vermisst er den Schnee, beobachtet Wind und Wetter, bestimmt die Schneetemperatur und misst den gefallenen Neuschnee. Im vergangenen Winter waren es im Skigebiet Warth-Schröcken genau 9,25 Meter. Mit seinen Beobachtungen und Messungen leistet er einen Beitrag zum täglichen Lawinenlagebericht des Landes Vorarlberg – und seine Aufzeichnungen kumulieren sich zu exakten Schneestatistiken eines jeden Winters.Den Rekordwert der letzten 40 Jahre notierte er im Winter 1998/99 als zwischen November und Ende April 16,50 Meter Schnee zusammenkamen. Selbst im schlechtesten Skiwinter an den sich Schlierenzauer erinnern kann fielen 5,50 Meter Schnee. „Wir leben hier mit dem vielen Schnee, 7 Monate geschlossene Schneedecke sind normal,“ sagt Schlierenzauer. Dass er mit seiner täglichen Routine dem Skigebiet Warth-Schröcken zu weltweitem Ruhm verhelfen würde, hätte er sicher nie gedacht.
Der Mann der den Schnee misst: Fritz Schierenzauer
Fritz Schierenzauer lebt am Körbersee und ist Inhaber des gleichnamigen Hotels. Ehrenamtlich betreibt er die Schneemesstation und liefert wichtige Daten für den Lawinenlagebericht des Landes.
Der Schnee bringt Ruhm und Ehre
Der englische Skijournalist und bekannte Experte für Alpenwetter und Schneefallmuster Fraser Wilkin startete eine ausführliche Recherche im gesamten Alpenraum und trug langjährige Messergebnisse und statistische Daten zusammen, um die schneereichsten Skigebiete der Alpen zu bestimmen. Seine viel beachteten Ergebnisse veröffentlichte er im November 2008 in der englischen Tageszeitung Daily Mail. Seitdem gilt das Skigebiet Warth-Schröcken als das schneereichste Skigebiet der Alpen. Fraser bezifferte den langjährigen Durchschnitt auf 10,70 Meter jährlichen Schneefall. Ein Rekordwert den auch Lech, die Nachbargemeinde am Arlberg fast erreicht (10,40m). Die Top 5 komplettieren Braunwald (9m) in der Schweiz, das österreichische Obertauern (8,80m) und Avoriaz (7,80m) in Frankreich.
Fraser Wilkin
Der Artikel von Fraser Wilkin in der englischen Daily Mail wurde 2008 veröffentlicht und verhalf Warth-Schröcken zum Titel "Schneereichstes Skigebiet Europas"
Bei Nordstau kommt Schnee - viel Schnee
Fritz Schlierenzauer überraschen die Ergebnisse nicht. Er kennt die geografischen und metereologischen Erklärungen – Nordstaulage nennt man das Phänomen, das im Winter den weißen Segen massenhaft in die Region bringt und das Wort „schneesicher“ fast wie eine Untertreibung klingen lässt: Besonders im Winter bestimmen Ereignisse über dem Atlantik das Wetter in Europa. Feuchte Luftmassen ziehen dann typischer Weise aus Norden oder Nord-Westen in Richtung Alpen und finden in der Arlbergregion die erste nennenswerte Hürde, an der die schweren Wolken ihren Ballast loswerden. Davon profitieren natürlich die Skifahrer, die Dank der Höhenlage des Skigebiets und der zahlreichen Nord- und Osthänge bis ins weit ins Frühjahr von den exzellenten Schneeverhältnissen schwärmen.
Pulverschnee ist hier ein Versprechen, weswegen Skifahrer die Region lieben – auch wenn man häufiger als andernorts morgens sein Auto aus den Schneemassen ausgraben muss. "Diese Nordstaulage bringt uns viel Arbeit, aber eigentlich sind wir froh, wenn wir viel Schnee abbekommen", lacht Schlierenzauer. Der kommt in den letzten Jahren allerdings manchmal später als erwartet.
Frau Holles irdische Gehilfen
„Den meisten Schnee haben wir im März und April,“ weiß Schlierenzauer und deshalb beschäftigen sich seine Kollegen der Skilifte Warth besonders in der Vorweihnachtszeit mit der Kunst des Schneemachens. Sie haben diesen Sommer eine der modernsten Schneeanlagen der Alpen installiert und können nun ab dem ersten Skitag auf den 12 Hauptpisten in Warth für perfekte Skibedingungen sorgen. „Unser Schnee besteht aus Wasser aus dem Hochalpsee und Luft,“ sagt Markus Lorenz, Betriebsleiter bei den Skiliften Warth. Er ist mit Florian Huber und Reinhold Bickel für den Schnee verantwortlich und während der Produktion 24 Stunden im Einsatz, um das beste Ergebnis zu garantieren. Durch Beimischung von Druckluft in sogenannten Nukleatordüsen entsteht ein Luft-Wasser-Gemisch welches Kristallkeime bildet. Feine Wassertröpfchen hängen sich an die Kristallkeime, aus denen sich auf dem Weg zum Boden Schneekristalle bilden. Je besser man seine Maschine kennt, desto besser das Ergebnis. “Schneemachen ist eine Kunst, für die man viel Erfahrung und Teamarbeit braucht, damit die Qualität überall auf der Piste stimmt. Die Steuerung der gesamten Schneeanlage ist vom Computer aus möglich, allerdings gehen wir auch in der Nacht auf Kontrollfahrt mit dem Skidoo und müssen die Beschaffenheit des Bergs genau kennen, um die beste Qualität zu garantieren,“ sagt er. „Das sind wir dem Ruf des Skigebiets als Schneegarant einfach schuldig,“ ergänzen die beiden anderen Schnee-Experten. Dem kann Fritz Schlierenzauer nur zustimmen, obwohl er aus langjähriger Erfahrung weiß: Jeden Winter kommt Schnee. Viel Schnee.
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